Freiwillige Retter: Stadt spart Millionen / Lübeck / Lokales – LN – Lübecker Nachrichten.

Lübeck. Die Freiwillige Feuerwehr (FF) leistet einen wesentlichen Beitrag zum Brandschutz in der Hansestadt. Im Ernstfall rücken pro Löschzug zehn Berufsfeuerwehrleute aus, hinzu kommen sechs Ehrenamtler. Doch erstmals ist dieser Wert nun real beziffert worden. Nach Angaben des Stadtfeuerwehrverbandes, der für die Freiwilligen Feuerwehren spricht, leisten die Ehrenamtler jährlich umgerechnet einen Beitrag von sechs Millionen Euro — allein auf die Personalkosten bezogen. Die Summe kann somit im Haushalt gespart werden.
„Wie in fast allen Großstädten ergänzen sich die Freiwillige und Berufsfeuerwehr“, lobt Oliver Bäth, Chef der Berufsfeuerwehr (BF), das Engagement der Ehrenamtler. „Bei einem besonders hohen Einsatzaufkommen oder bei großen Unfällen sind wir besonders auf ihre Unterstützung angewiesen.“ Würde man sogar sämtliche Aufgaben aufzählen, die die Freiwilligen übernehmen, „käme man zu weit höheren Summen“, so Bäth.
Seit mehr als 20 Jahren werden BF und FF in Lübeck als eine große Feuerwehr angesehen. Stadtwehrführer Detlef Radtke spricht von einer „langen Tradition“. Die Kooperation beschränke sich nicht nur auf das Kostensparen. Durch die feste Zusammenarbeit beim Brandschutz hätten die Helfer deutlich mehr Praxiserfahrung als manche Ehrenamtler in anderen Großstädten. In Kiel werden die Löschzüge mit 16 Beamten besetzt, weil die Personaldecke größer ist.
Doch die gesparten sechs Millionen Euro verpflichten auch. „Es muss gleichzeitig etwas für den Erhalt der Freiwilligen Wehren getan werden“, sagt Hans-Jürgen Martens (Linke). „Sie dürfen nicht benachteiligt werden.“ Die Ehrenamtler seien ein wichtiger Teil von Lübeck. „Die soziale Komponente der Freiwilligen Feuerwehren wird gerne vergessen“, sagt Jochen Mauritz, sicherheitspolitischer Sprecher der CDU. „Neben dem Geld hängt noch ganz viel Idealismus mit dran.“ Rolf Müller von der FDP: „Ohne die Freiwilligen wäre der Brandschutz gar nicht zu leisten.“
Deshalb weist Stadtwehrführer Radtke beharrlich auf Missstände hin. „Wenn man von den Wehren professionelle Arbeit erwartet, muss man entsprechende Ausrüstung zur Verfügung stellen.“ Viele Wachen seien zeitgemäß und gut ausgestattet. Probleme machen aber die FF Kronsforde und FF Groß Steinrade. „Der Zustand der Unterbringung drückt natürlich auf die Motivation“, sagt Innensenator Bernd Möller (Grüne). Der Kronsforder Aufenthaltsraum ist eine kleine Hütte ohne Heizung, wie in Groß Steinrade steht das Löschfahrzeug in einer benachbarten Scheune. Das Laufen zum Auto „kostet zusätzlich etwa zwei Minuten“, sagt Kronsfordes Wehrführer Matthias Purwin. Hinzu kommt laut Feuerwehrchef Bäth, dass unpassend untergebrachte Autos manchmal „nur eingeschränkt verwendbar“ sind. Sind die Löschwassertanks in den Fahrzeugen unbeheizt, müssen sie im Winter leergepumpt werden — sonst gefriert das Wasser in den zugigen Hallen.
Doch es wird stetig nachgebessert. Die FF Innenstadt bekam 2010 ein neues Gerätehaus, die marode FF-Wache in Kücknitz soll in diesem Jahr ersetzt werden. Während aber die Berufsfeuerwehr einen Neubau der Wache 3 für 6,5 Millionen Euro komplett aus dem Haushalt bekommt, muss die Possehl- Stiftung bei den Ehrenamtlern 350 000 der benötigten 660 000 Euro beisteuern. „Aufgrund der Haushaltslage können wir nicht alle erforderlichen Investitionen zeitnah tätigen“, erklärt Möller. Gleichzeitig erhöhe eine moderne Wache 3 den Schutz sowohl in Kücknitz als auch in Travemünde. Renate Menken von der Possehl-Stiftung sieht die jetzige Unterstützung nicht als Garantie für die Stadt, dass auch die anderen FF-Wachen pauschal mit Stiftungsgeld saniert werden können. „So soll es nicht sein.“
Wann aber Kronsforde und Groß Steinrade bessere Gebäude bekommen, ist angesichts des klammen Haushalts offen. Möller: „In der Stadt gibt es auch andere wichtige, kostenintensive Notwendigkeiten.“ Er weist unter anderem auf die maroden Brücken hin. „Wenn die nicht passierbar sind, nützt das beste Löschfahrzeug nichts.“
1977 lag die Zahl laut Stadtfeuerwehrverband bei gerade einmal 159 Alarmierungen.
Aktive Einsatzkräfte: Die Wehren konnten 2013 auf aktive 799 Helfer zurückgreifen, damit liegen sie nur knapp hinter dem Hoch von 810 Mitgliedern in 1977. Der Stadtfeuerwehrverband feiert dieses Jahr sein 125. Jubiläum.
Peer Hellerling