Brandbrief: Die Leistungsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren ist gefährdet

Lübeck – Die Leistungsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren ist gefährdet. Es zeichnet sich ab, dass in den nächsten Haushaltsjahren zu wenig Mittel für die Feuerwehr eingestellt werden. Nicht jeder Bürger weiß, schon bei jedem Standard Brandeinsatz ergänzt mindestens eine Freiwillige Feuerwehr die Kräfte der Berufsfeuerwehr. Bei weiterer Reduzierung von Einsatzfahrzeugen ist es nicht mehr möglich, das bisherige Leistungsniveau zu halten. Großbrände, Sturm- und Starkregeneinsätze haben wiederholt die Notwendigkeit der vorhandenen Fahrzeugausstattung bei den Freiwilligen Feuerwehren gezeigt.

Brandbrief der Feuerwehren an die Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft:


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An die Fraktionen der
Lübecker Parteien      

16.11.2015

 

 

Investitionsstau bei der Beschaffung von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr

 

An die Fraktionsvorsitzenden der Lübecker Parteien,

CDU Fraktion, FDP Fraktion, SPD Fraktion, Fraktion Die Linke, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fraktion Die Partei-Piraten, Freie Wähler Lübeck, BFL

Senator Bernd Möller und Bereichsleiter Oliver Bäth

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Freiwilligen Feuerwehren sind ein wichtiger Teil der Gefahrenabwehr in der Hansestadt Lübeck. Sie sind Teil des Grundschutzes und ersparen somit der Stadt jährlich erhebliche Personalkosten, in dem die ehrenamtlichen Einsatzkräfte einen Teil des 16-Mann-Löschzuges bilden.

Über den Grundschutz hinaus gibt es einen erheblichen Mehrwert durch die Freiwilligen Feuerwehren, indem sie Aufgaben bei Großschadenlagen und im Katastrophenschutz sowie Sonderaufgaben übernehmen.

Die Freiwilligen Feuerwehren sichern aufgrund der vorhandenen Fahrzeugausstattung und ihres Personaleinsatzes eine zügige Abwicklung  von Einsätzen z.B. bei flächendeckenden Schadenlagen wie Hochwasser, Sturm und Starkregen.

Zusätzlich sind die Wehren in der Jugendarbeit und der Prävention tätig und beteiligen sich mit großem Engagement in der Stadteilarbeit.

Der Stadtfeuerwehrverband hat sich zusammen mit den Freiwilligen Feuerwehren in der Vergangenheit erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Mitgliederzahlen in den Einsatzabteilungen auf hohem Niveau bleiben und die Ausbildung professionell durchgeführt wird. Entgegen des Landestrends sichern die Freiwilligen Feuerwehren Lübecks durch gute Arbeit den Nachwuchs in unseren Wehren durch steigende Mitgliederzahlen.

Die Leistungsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren ist gefährdet. Bei weiterer Reduzierung von Einsatzfahrzeugen ist es nicht mehr möglich, das bisherige Leistungsniveau zu halten. Großbrände, Sturm- und Starkregeneinsätze haben wiederholt die Notwendigkeit der vorhandenen Fahrzeugausstattung bei den Freiwilligen Feuerwehren gezeigt.

Der Stadtfeuerwehrverband hat zusammen mit der Berufsfeuerwehr in 2012 eine Strukturoptimierung bei den Freiwilligen Feuerwehren durchgeführt und insgesamt 10 Einsatzfahrzeuge identifiziert und ausgemustert, um den Fuhrpark zu reduzieren. Insgesamt sind somit Investitionen von 2,4 Mio. € eingespart worden. Es war ein schmerzhafter Anpassungsprozess zu Lasten der Leistungsfähigkeit.

Die Aussonderungen wurden von den Freiwilligen Feuerwehren nur akzeptiert, da davon ausgegangen wurde, dass der restliche Fuhrpark erhalten wird, und dafür die erforderlichen Ersatzbeschaffungen nachhaltig durchgeführt werden. Für die Einhaltung der Schutzziele und Abarbeitung der verschiedenen Aufgaben sind diese Fahrzeuge aus fachlicher Sicht zwingend erforderlich.

Allerdings zeigt sich nun, dass zusätzlich zu den mit der Berufsfeuerwehr im Rahmen der durchgeführten Strukturoptimierung vereinbarten Reduzierungen weitere Fahrzeuge aus wirtschaftlichen Gründen vorzeitig ausgesondert werden müssen, ohne rechtzeitig Ersatzbeschaffungen durchführen zu können. Somit fehlen Einsatzfahrzeuge. Die Anzahl der Aussonderungen wird weiter zunehmen, da das Durchschnittsalter der Fahrzeuge hoch ist und sich die zu erwartende Lebensdauer von Fahrzeugen weiter reduziert.

Haushaltskürzungen erhöhen den Investitionsstau bei Ersatzbeschaffungen. Dies führt zwangsläufig zu weiteren unvertretbaren Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Feuerwehr.

Es zeichnet sich ab, dass in den folgenden Haushaltsjahren zu wenig Mittel eingestellt werden, um die erforderlichen Ersatzbeschaffungen durchführen zu können. Das „Prinzip des Verschiebens“ der Fahrzeugbeschaffungen in die Zukunft erhöht laufend den Investitionsstau, der nie wieder abgebaut werden kann. „Verschieben“ bedeutet inzwischen „Ersatzlos streichen“.

Die Führungskräfte des Stadtfeuerwehrverbandes und der Freiwilligen Feuerwehren haben erhebliche Bedenken, wenn die Investitionen für die Gefahrenabwehr bei den Fahrzeugbeschaffungen gekürzt werden und auf lange Sicht nicht auskömmlich sind.

Eine weitere Streichung von Ersatzbeschaffungen reduziert die Leistungsfähigkeit der Feuerwehren. Allein die flächendeckenden Schadenlagen und Großschadenlagen in diesem Jahr zeigen, wie durch die ehrenamtlichen Einsatzkräfte mit den zugehörigen Feuerwehrfahrzeugen kompetente und flächendeckende Hilfe für Bürgerinnen und Bürger geleistet wurde.

Gute Ausbildung, eine angemessene Unterbringung in Feuerwehrhäusern, eine ausreichende und moderne Technikausstattung sowie gute Schutzkleidung sind wichtige Faktoren, für die Attraktivität und Ausübung des Ehrenamtes in der Freiwilligen Feuerwehr.

Für eine qualifizierte Ausbildung sind zentrale Ausbildungsveranstaltungen zur Umsetzung der gültigen Feuerwehrdienstvorschriften unerlässlich. Hierfür werden Fahrzeuge benötigt. Bei weiteren Reduzierungen müssen Wehren für diese Veranstaltungen außer Dienst gehen und reduzieren damit auch die Verfügbarkeit für den Grundschutz in den Ortsteilen. Reserven sind schon jetzt nicht mehr vorhanden.

Die Freiwilligen Feuerwehren nehmen zusätzlich zu den Aufgaben des Grundschutzes auch wichtige Aufgaben im Katastrophenschutz und bei flächendeckenden Schadenlagen wahr, für die eine ausreichende Fahrzeug- und Personalausstattung erforderlich ist. Bei geringer werdender Fahrzeuganzahl ist diese parallele Einsatzverfügbarkeit gefährdet. Beispielhaft seien hier die Tätigkeitsbereiche Löschzug-Gefahrgut, Löschzüge-Wasserversorgung, Besetzungen der Wachen der Berufsfeuerwehr bei längerfristigen Einsätzen und Aufgaben bei Ausfall von kritischen Infrastrukturen genannt.

Die Motivation der ehrenamtlichen Einsatzkräfte wird zurückgehen, wenn im praktischen Ausbildungsdienst und bei Einsätzen weniger Fahrzeuge und Fahrzeuge, die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen, zur Verfügung stehen.

Schon heute können einige Feuerwehren beim Übungsdienst nicht alle Einsatzkräfte zur Ausbildung mitnehmen. Eine weitere Reduzierung wird dazu führen, dass Mitglieder nicht zur Ausbildung kommen. Qualifizierte Arbeit erfordert qualifizierte Ausbildung. Ähnlich sieht es im Einsatzdienst aus. Wenn unsere Mitglieder keine Möglichkeit haben, aufgrund einer geringeren Anzahl von Fahrzeugen an Einsätzen teilzunehmen, wird der Hauptgrund des ehrenamtlichen Helfens in Frage gestellt. Eine Reduzierung der ehrenamtlichen Einsatzkräfte ist zu erwarten.

Wir, die Führungskräfte des Stadtfeuerwehrverbandes und der Freiwilligen Feuerwehren, stehen auf Verbandsebene und auf Standortebene für Gespräche mit Entscheidungsträgern aus der Politik zur Verfügung.

Die Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren arbeiten gerne für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der Stadt, nehmen aber für sich in Anspruch, mit diesem „Brandbrief“ auf den Investitionsstau und dessen Folgen aufmerksam zu machen. Der Investitionsstau gilt gleichermaßen für die Einsatzfahrzeuge der Berufsfeuerwehr.

Die Feuerwehr braucht Planungssicherheit, um eine verlässliche Gefahrenabwehr zu organisieren und zu gewährleisten. Eine fünfjährige Investitionsplanung reicht nicht aus, schon gar nicht, wenn es jedes Jahr zu weiteren Reduzierungen der Haushaltsmittel kommt.

 

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Die Führungskräfte des Stadtfeuerwehrverbandes und die 22 Wehrführungen der Freiwilligen Feuerwehren Lübecks haben den Brandbrief durch ihre Unterschriften unterstützt.

Quelle: Stadtfeuerwehrverband Lübeck, http://wp.me/p4a7cf-j8

(Teilen erwünscht; nur mit Quellenhinweis)

 

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